Geschichte der Lutherkirche von 1937

Starkes Bevölkerungswachstum in der Lübecker Vorstadt St. Lorenz Süd führte 1914 dazu, dass sich die Luthergemeinde als Tochter der schon mehrere hundert Jahre alten St. Lorenz-Gemeinde gründete:

Der Gemeindesaal von 1914 mit dem angebauten Pastorat

Die Volkszählung vom Dezember 1910 ergab mehr als 20.000 Einwohner im Stadtteil St. Lorenz, der 1907 durch die Verlegung des Hauptbahnhofes an seinen heutigen Platz in „Nord“ und „Süd“ geteilt wurde. Kurz darauf wurde der Seelsorgebezirk „St. Lorenz Süd“ gegründet. Die Gottesdienste hielt Pastor Mildenstein in der Gaststätte Roter Löwe an der Moislinger Allee 142 ab. Bald setzte sich der Pastor dafür ein, dass eine eigene Gemeinde gegründet werde. 1914 war es soweit. An der Moislinger Allee 96 wurden ein Gemeindesaal und ein Pastorat gebaut. Mit einem feierlichen Gottesdienst wurde der Gemeindesaal am 18. Oktober 1914 eingeweiht.

Die neue Gemeinde
Die neue Luthergemeinde zählte etwa 4300 Mitglieder. Während im Stadtteil vornehmlich Handwerker, kleine Gewerbetreibende und Arbeiter - darunter viele Bahnarbeiter - wohnten, setzte sich der erste Kirchenvorstand aus Männern zusammen, die Kaufleute, Verwaltungsbeamte, Handwerksmeister oder Lehrer waren. Zum ersten KV-Vorsitzenden wurde der Fabrikant Dr. Bernhard Dräger gewählt, der zusammen mit seinem Vater Heinrich das Drägerwerk an der Moislinger Allee aufgebaut hatte und vielen Menschen im  Stadtteil einen Arbeitsplatz bot.

Ursprünglich sollte nach diesem Entwurf eine Kirche angebaut werden.

Der Traum von einer „richtigen Kirche“
Von Anfang an war geplant, an den Gemeindesaal eine Kirche“ anzubauen. Doch der Erste Weltkrieg, dann die Notjahre, die Inflation und schließlich die Wirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre hatten den Bau einer „richtigen“ Kirche verhindert.

Mitte der 1930er Jahre zählte die Luther gemeinde bereits 13.000 Glieder. Im Kirchenvorstand hatten Menschen das Sagen, die den nationalsozialistischen „Deutschen Christen“ anhingen und die beiden Pastoren Meyer und Stellbrink waren Mitglieder des völkisch-nationalistischen „Bund für Deutsche Kirche“. So galt der nationalsozialistischen Lübecker Kirchenleitung die Luthergemeinde als vorbildlich.

Abriss des alten Gemeindesaals

 Mit ihrem langjährigen KV-Vorsitzenden und derzeitigem Oberkirchenrat Johannes Sievers hatte sie zudem in Sachen Kirchbau einen starken Fürsprecher im Kirchenrat. Der Bau der Lutherkirche als einzigen kirchlichen Neubau in Lübeck während der NS-Zeit kann so durchaus als politisches Signal gesehen werden. Hier sollte ein Beispiel für Kirche in der neuen Zeit geschaffen werden.
1936 wurde der Neubau beschlossen. Mit der Planung der neuen Kirche wurden die Architekten Glogner und Vermehren beauftragt, die bereits für das bisherige Ensemble verantwortlich zeichneten. Der Bau wurde nun aber nicht wie ursprünglich geplant an den Gemeindesaal angefügt, sondern dieser wurde abgerissen und der Platz neu überbaut.
 

Auf dem Weg vom Lutherhaus zum Einzug in die neue Lutherkirche, in der Mitte Bischof Balzer

Der Festgottesdienst zur Einweihung
Mit dem Reformationstag, dem 31. Oktober 1937 wurde ein symbolträchtiger Tag für die Weihe der neuen Lutherkirche gewählt. Martin Luther galt den Nazis als ein großer Deutscher, der sich um die Sprache des Volkes, um nationale Unabhängigkeit und Identität verdient gemacht habe.
Zum großen Festgottesdienst am Sonntagmorgen wurden Honoratioren und prominente Gäste erwartet. Die beiden Lutherpastoren Meyer und Stellbrink waren für den Altardienst zuständig, es sang die Lübecker Kantorei. Die Weihepredigt hielt Bischof Balzer mit Bezug auf Martin Luther: „Meinen lieben Deutschen bin ich geboren, ihnen will ich dienen“ zitiert er den Reformator und führt fort: „Deutsch war Luther in seiner Frömmigkeit, deutsch muß unsere Frömmig keit sein, wenn sie wahrhaftig und echt sein soll. Denn Gott hat uns als Deutsche geschaffen und zwar als Deutsche im Dritten Reich Adolf Hitlers; als Deutsche, denen es vergönnt ist, die Erfüllung der tausendjährigen Sehnsucht des deutschen Volkes zu erleben: die Einigung der Deutschen in einem einigen deutschen Reich. Darum kann in dieser Kirche den deutschen Volksgenossen kein Judenchristentum verkündigt werden.“
Diese, mehr der nationalsozialistischen Ideologie als der Bibel folgende bischöfliche Predigt, kann nach heutigem Verständnis als Entweihung bei der Einweihung verstanden werden.
 

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