Die vier Lübecker Märtyrer

Am 10. November 1943 wurden die katholischen Kapläne Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller zusammen mit dem evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink von den Nationalsozialisten hingerichtet. Über konfessionelle Schranken hinweg hatten die vier Geistlichen ihr Wort gegen die Christusfeindlichkeit, Terror und Unmenschlichkeit des NS-Regimes erhoben. Stellbrink war zu dieser Zeit Pastor an der Lutherkirche in Lübeck.

 

Karl Friedrich Stellbrink war seit 1934 Pastor an der Lübecker Lutherkirche und hatte sich von einem bekennenden Nationalsozialist zum Regimegegner gewandelt, als er 1941 den katholischen Kaplan Johannes Prassek bei einer Bestattung kennenlernte. Die beiden Geistlichen  erkannten rasch ihre gemeinsame Ablehnung der NS-Regierung. Sie verabredeten, Informationen und Schriften auszutauschen.

 

Der evangelische Pastor war nun häufiger zu Gast in der katholischen Herz Jesu Kirche, wo er auch die anderen beiden Kapläne kennenlernte. Von der Innigkeit und Frömmigkeit der katholischen Gottesdienste war Stellbrink beeindruckt, obwohl es noch nicht lange her war, dass er den Katholizismus beschimpft hatte.

 

Die katholischen Geistlichen tauschten sich in verschiedenen Gesprächskreisen in ihrer Gemeinde offen auch mit Laien über ihre Sicht auf den Nationalsozialismus aus und gaben Informationen weiter, die sie auf konspirativem Wege erhalten hatten. Ebenso hielt es Pastor Stellbrink mit einigen Menschen aus der Luthergemeinde. Dies blieb auch der Gestapo nicht verborgen, die die Geistlichen mehrfach verwarnte.

 

Zu den Materialien, die von den Männern verbreitet wurden, gehörten unter anderem die Predigten des Münsteraner Bischofs von Galen, der sich mehrfach während seiner Gottesdienste gegen die Tötung Kranker und Behinderter im Rahmen der sogenannten "Euthanasie" gewandt hatte. Der Einfluss von Galens, der in seinem Bistum über einen starken Rückhalt in der Bevölkerung verfügte, war so hoch, dass die Nationalsozialisten von der systematischen Ermordung zu einer verdeckten Form der Tötung übergingen. Der Bischof selbst erfuhr keine Reglementierungen, wohl aber sollte die Verbreitung seiner Auffassung unterbunden werden.

 

Die vier Geistlichen waren sich in einem unterschiedlichen Maße darüber bewusst, wie gefährlich ihre Offenheit für sie werden konnte. Darauf angesprochen antwortete z.B. Kaplan Prassek: "Wer soll denn sonst die Wahrheit sagen, wenn nicht wir Priester." Und auch der sehr wahrheitsliebende Pastor Stellbrink wird in diesem Sinne gedacht haben, obwohl er fürchten musste, auch seine Familie in Gefahr zu bringen.

 

Die Predigt, die Karl Friedrich Stellbrink unter dem Eindruck des vorangegangenen Luftangriffs auf Lübeck am Palmsonntag 1942 beim Konfirmationsgottesdienst hielt, gab Anlass zu seiner Verhaftung. Er hatte nicht den feindlichen Angriff verurteilt, sondern davon gesprochen, dass die Lübecker wieder beten lernen  müssten - Gemeindeglieder hatten dies empört der Gestapo zugetragen. In den kommenden Wochen wurden nach Hausdurchsuchungen bei Stellbrink nach und nach auch die Kapläne sowie 18 Mitglieder der katholischen Gemeinde verhaftet, die den Gesprächskreisen angehört hatten.

 

Die Männer wurden im Gefängnis Lübeck Stadt im ehemaligen Burgkloster sowie in der JVA Lauerholz inhaftiert. Ein Jahr später, im Sommer 1943, reiste der Volksgerichtshof eigens für den Prozess gegen die Christen nach Lübeck. Die vier Geistlichen wurden zum Tode verurteilt, zwei Laien - darunter der spätere Lübecker Senator Adolf Ehrtmann - erhielten längere Haftstraßen, bei den übrigen galt die Strafe mit der Untersuchungshaft als abgesessen.

 

Die vier Geistlichen wurden in das Hamburger Gefängnis am Holstenglacis überstellt. Dort teilten sich Prassek und Müller sowie Lange und Stellbrink je eine Zelle. Hermann Lange schrieb über diese Zeit mit dem evangelischen Pastor "wir sind wie Brüder". Am 10. November 1943 wurden die vier kurz hintereinander hingerichtet.

 

Ihr konfessionsübergreifender Widerstand ist einzigartig in der Geschichte und gilt den Nachgeborenen als Auftrag, sich für ein ökumenisches Gedenken zu engagieren.

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